Informationsveranstaltung im Bezirksamt
Am Dienstag, 12.3.2013, fand unter großem Medieninteresse und vor ca. 200 Interessierten die Informationsveranstaltung zum Projekt Fleischgroßhandel im BVV-Saal statt. Der Pankower Stadtrat für Stadtentwicklung, Jens-Holger Kirchner, eröffnete die Veranstaltung, die mit vier Vorträgen begann. Anschließend konnte das Publikum Fragen an das Podium richten.
Zunächst stellte Rıfat Kazancıoğlu, Geschäftsführer der Hacilar GmbH, sein Unternehmen vor, das in der Beusselstraße angesiedelt ist. Der Familienbetrieb besteht seit 1988 und verfügt derzeit über 15 firmeneigene Fahrzeuge. Neben der Fleischzerlegung beschäftigt es sich mit einer „kleinen Wurstproduktion“ zur Belieferung familieneigener Lebensmittelbetriebe. Herr Kazancıoğlu berichtete, dass das Unternehmen expandieren möchte und auf der Suche nach einem großen stadtnahen Gewerbegrundstück in Heinersdorf fündig geworden ist. Er versicherte, dass die Produktion sauber und geruchsfrei sei. http://www.hacilar.de
Anschließend erläuterte ein Vertreter Inkon Gmbh, Roland Eggert, die Beweggründe für den Grundstückskauf durch die Firma Hacilar aus seiner Sicht: Der Investor suchte ein Grundstück in Autobahnnähe, aber nicht am Autobahnring. Eine derart große Gewerbefläche sei in Berlin in zentraler Lage kaum verfügbar. Obwohl bisher nur vom Autobahnanschluss auf Grund des überregionalen Verkehrs die Rede war, wurde erstmals eine unmittelbare Nähe zur Innenstadt als erforderlich für den Standort betont. Auf die Frage nach einem Alternativgrundstück direkt an der Autobahn wurde erklärt, dass im Gewerbegebiet Pankow-Nord derzeit keine Grundstücke zur Verfügung stünden. Auch Herr Eggert unterstrich die saubere Produktion und versicherte, dass eine Geruchsbelästigung nicht zu befürchten sei. Die Inkon GmbH ist seit Jahren mit der Grundstücksverwertung von Teilen des Gewerbegeländes Blankenburger Straße beauftragt und verfolgt das Konzept, dort Logistikunternehmen anzusiedeln. Das Grundstück der Hacilar GmbH gehört nicht zu diesen Flächen. Mit einer Baugenehmigung für die Hacilar GmbH und vor allem mit einer neuen Straßenanbindung würden sich die Verwertungschancen der von der Inkon GmbH betreuten Flächen stark verbessern. Seit Jahrzehnten gelingt es nicht, diese Flächen zu vermarkten. http://www.inkon.de
Über die Einwände der frühzeitigen Bürgerbeteiligung berichtete ein Vertreter der mit der Bauplanung beauftragten Gesellschaft für Planung GfP, Herr Dogan G. Yurdakul. http://www.gfp-stadtplanung.de Als Haupteinwände wurden genannt: 1.die Art der Nutzung, 2.die Größe und Dimension der Produktionshalle, 3.das zu erwartende Verkehrsaufkommen, 4.die Herauslösung des B-Planes und 5.(im Gegensatz zur Information im Stadtentwicklungsausschuss) die Infragestellung des Gesamtprojektes an sich.
Herr Yurdakuhl berichtete auch, dass bereits eine frühzeitige Behördenbeteiligung stattgefunden hat, die ähnliche Einwände zur Folge hatte. Hingewiesen wurde insbesondere auf die Verkehrsproblematik. Gefordert werden ein Verkehrskonzept, ein Schallschutzgutachten, Entwässerungs- und Erschließungskonzepte. Problematisch wird auch die unmittelbare Nachbarschaft des geplanten Lebensmittelbetriebes zu vorhandenen Gewerbebetrieben gesehen.
Den letzten Vortrag an diesem Abend hielt Ina Carrasco, Leiterin des Stadtentwicklungsamtes. Sie erläuterte die Phasen des Verfahrens: 1.frühzeitige Bürgerbeteiligung (bereits geschehen) 2.frühzeitige Behördenbeteiligung (bereits geschehen) 3.Auswertung der frühzeitigen Bürger- und Behördenbeteiligung 4.Fortschreibung des Projektes unter Berücksichtigung der Ergebnisse 5.förmliche Behördenbeteiligung 6. förmliche Bürgerbeteiligung 7.Auswertung der förmliche Bürger- und Behördenbeteiligung 8.Fortschreibung des Projektes unter Berücksichtigung der Ergebnisse 9.Festsetzung
Zum Verfahren ist anzumerken, dass nach § 33 Baugesetzbuch bereits nach der förmlichen Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung eine Baugenehmigung erteilt werden kann, auch wenn das Verfahren nicht abgeschlossen ist. So verhält es sich derzeit im Gewerbegebiet Pankow-Nord, wo bereits Betriebe (z.B. ein Großhandelsmarkt) errichtet wurden, der Bebauungsplan aber bis heute nicht beschlossen worden ist.
In der anschließenden Fragerunde wurden zahlreiche Fragen hauptsächlich zum Verkehr, zur Dimension des Projektes, zum Lärmschutz und zu Ungeziefer und Geruchsbelästigung gestellt. Bei Fragen, die nicht beantwortet werden konnten, wurde auf das frühe Planungsstadium verwiesen.
Eine wichtige Information zur Verkehrsplanung
Herrn Kirchner teilte mit, dass durch die Senatsverwaltung ein Planfeststellungsverfahren zur Weiterführung der geplanten Straße zwischen Rennbahn- und Blankenburger Straße entlang der ehemaligen Industriebahntrasse bis zur Autobahn vorbereitet wird. Dabei handelt es sich um eine Straßenverbindung, die bisher weder im Flächennutzungsplan noch im Stadtentwicklungsplan Verkehr vorgesehen ist.
Unser Fazit
Obwohl es kein relevanter Bestandteil eines B-Plan-Verfahrens ist, hat das Bezirksamt eine öffentliche Informationsveranstaltung in einer sehr frühen Phase des Verfahrens durchgeführt. Das begrüßen wir sehr und danken den Verantwortlichen für die Organisation. Die hohe Beteiligung der Bürger und der Presse hat gezeigt, wie wichtig das Thema offenbar ist.
Auch wenn bei keinem der Gäste auch nur ein einziger Funken Freude über das Bauvorhaben erkennbar war, so verlief die Veranstaltung sachlich und es wurde in erster Linie Sachkritik geübt. Wir haben im Anschluss an die Veranstaltung das direkte Gespräch mit Rıfat Kazancıoğlu, dem Geschäftsführer der Hacilar GmbH gesucht und ihm versichert, dass sich unser Protest auch gegen jedes andere Unternehmen dieser Größe an diesem Ort richten würde und in keinerlei Zusammenhang mit seiner Herkunft steht.
Natürlich blieben viele bereits in der frühzeitigen Bürgerbeteiligung gestellte Fragen offen. Und weitere kommen hinzu:
1. Die Halle ist 328 Meter lang x 60 Meter breit x 12 Meter hoch. Sie ist ständig zu klimatisieren.
- Wie viele Kubikmeter kalte Luft müssen täglich produziert werden?
- Wie viel verbrauchte Abluft gerät täglich nach außen?
- Wie wirkt sich das auf die Frisch- und Kaltluftschneise aus?
2. Ein Argument der Politik für das Gewerbe in Heinersdorf: die Schaffung von Arbeitsplätzen
- Wie viele Arbeitsplätze sollen von der Beusselstraße nach Heinersdorf umziehen?
- Wie viele Arbeitsplätze sollen neu geschaffen werden?
- Wie ist sichergestellt, dass die Arbeiter menschenwürdig beschäftigt und gerecht entlohnt werden?
Nachfolgend einige Links, die Fragen aufwerfen:
- Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten
http://www.ngg.net/branche_betrieb/fleisch/ - Kleine Anfrage einer Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen zu Arbeitsbedingungen in der deutschen Fleischwirtschaft an den Deutschen Bundestag:
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/043/1704341.pdf - Bericht zu Dumpinglöhnen und illegaler Beschäftigung von Bärbel Höhn, Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen
http://www.baerbel-hoehn.de/meine-themen/landwirtschaft/mindestlohn-statt-schweineloehne.html - Bericht „Die Schlächter“ auf zeit-online.de:
http://www.zeit.de/2012/09/Fleisch-Schlachten/seite-2
3. Die Anlage soll alle zwei Stunden komplett gereinigt werden.
- Wie viel Wasser erfordert so eine Reinigung pro Tag?
4. Ein Argument der Politik für das Gewerbe in Heinersdorf: „Es war doch schon immer ein Gewerbegebiet.“
Das stimmt nicht. In den 1930er Jahren gab es Pläne für eine Wohnbebauung auf dem Gelände. Die Pläne wurden in Teilen (Kandertaler Weg, Wischbergeweg) umgesetzt. Der 2. Weltkrieg brachte die Fortführung dieser Pläne auf der anderen Seite des Geländes zum Erliegen. In der Not nach dem Krieg wurden dort Trümmer aus der Innenstadt abgeladen. Erst nach Gründung der DDR entstand das Tiefbaugelände. Die Google-Karte zeigt deutlich das halbfertige Rondell mit einem halben Rechteck in der Mitte (Sarner Weg/Axenstraße). Heute enden alle Wege als Sackgassen am Gewerbegebiet.